Die intrauterine Korrektur einer Meningomyelozele, einer schweren Variante der Spina bifida, hat vor zehn Jahren in einer viel beachteten randomisierten Studie viele Komplikationen einer postnatalen Operation vermieden. Die Vorteile sind jetzt in einer Folgestudie auch zu Beginn des Schulalters noch nachweisbar, wie die in Pediatrcics (2020; DOI: 10.1542/peds.2019-1544) und in JAMA Pediatrics (2021; DOI: 10.1001/jamapediatrics.2020.5674) publizierten Ergebnisse zeigen.
Die Meningomyelozele ist eine gravierende Spaltbildung der Wirbelsäule. Die Kinder werden mit einem „offenen Rücken“ geboren. Teile des Rückenmarks und der Meningen ragen in einer Zyste nach außen. Die Spina bifida lässt sich auch postnatal durch einen neurochirurgischen Eingriff korrigieren. Die Ergebnisse sind jedoch nicht immer befriedigend. Die “Two hit“-Hypothese macht hierfür den späten Operationstermin mitverantwortlich. Die Hypothese besagt, dass der 1. „Schlag“ der fehlerhafte Verschluss des Neuralrohrs am Ende des ersten Schwangerschaftsmonats erfolgt. Für die späteren Behinderungen sei jedoch der 2. „Schlag“ entscheidend, zu dem es später in der Schwangerschaft komme, wenn das exponierte Rückenmark durch toxisches Fruchtwasser und direkte Traumatisierung weiter in Mitleidenschaft gezogen werde. Die “Two hit“-Hypothese bildete die Rationale für die Fetalchirurgie, die versucht, die Spaltbildung noch im Uterus zu korrigieren. Die 2011 veröffentlichten Ergebnisse der randomisierten „Management of Myelomeningocele Study“ (MOMS) gelten heute als Beweis für die Richtigkeit der “Two hit“-Hypothese.
Scott Adzick vom Children’s Hospital of Philadelphia und Mitarbeiter konnten damals zeigen, dass die pränatale Operation die Häufigkeit von Spätschäden senkt. Die Kinder benötigten später nur halb so häufig einen Shunt zur Korrektur eines Hydrozephalus und sie entwickelten sich besser als in der Vergleichsgruppe, in der die Korrektur erst nach der Geburt durchgeführt wurde. Mit 30 Monaten waren mehr Kinder in der Lage, ohne Unterstützung zu gehen und sie kamen häufiger ohne Pflege aus.
Die MOMS2-Studie hat die Kinder in den Jahren 2011 bis 2017 nachuntersucht. Die meisten haben inzwischen das Schulalter erreicht. Im letzten Jahr stellte ein Team um Amy Houtrow von der Universität Pittsburgh die Ergebnisse der neuropsychiatrischen Tests vor. Die Forscher konnten damals die Eltern von 161 der ursprünglich 183 Kinder ausführlich befragen. Im „Vineland Adaptive Behavior Scale“ zeigten sich keine Unterschiede in den Kommunikationsfähigkeiten, im täglichen Verhalten und in der sozialen Entwicklung der Kinder. Es fiel jedoch auf, dass die intrauterin operierten Kinder sich motorisch besser entwickelt hatten und weniger Behinderungen aufwiesen.
Sie konnten sich häufiger ohne Orthesen oder andere Hilfsmittel bewegen (29 versus 11 %), wiesen seltener sensorische oder neurologische Störungen auf (92 versus 85 % vom Maximum im FRESNO-Score), es kam seltener zu Hinterhirnhernien (60 versus 87 %) und die Anlage eines Shunts (49 versus 85 %) oder dessen spätere Revision (47 versus 70 %) war weiterhin seltener notwendig als bei den postnatal operierten Kindern. Die Eltern bewerteten die Lebensqualität besser (0,15 versus 0,11 Punkte im Parkin Spina Bifida-Score) und sie stuften die Auswirkungen auf die Familie als geringer ein (32 versus 37,0 Punkte in einem Score).
Quelle: Ärzteblatt, März 2021