Wie erfrischend wissenschaftliche Forschung vorgetragen werden kann, konnten Selbsthilfe-Unterstützer*innen aus allen Teilen Deutschlands auf der Tagung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen e.V. erleben. Die frisch gebackene Dr. Susanne Relke von der Universität Leipzig fesselte die Anwesenden mit ihrem Forschungsthema “Die Wirkungen der Selbsthilfegruppe auf den Einzelnen und das Gesundheits- und Gemeinwesen”.
Das Menschen gesünder und glücklicher sind und sogar länger leben, wenn sie sich stark mit anderen verbunden fühlen, ist bereits erforscht und nennt sich social cure („soziales Heilmittel“). Ebenfalls erforscht ist der Effekt, dass Menschen sich wohler fühlen, wenn sie das Gefühl haben, das Leben nach eigenen Vorstellungen gestalten zu können, also persönliche Kontrolle haben. Dr. Relke und ihr Team konnten herausfinden, dass es auf zwei Dinge ankommt, wenn man in Selbsthilfegruppen von diesen gesund- und glücklich-machenden Effekten profitieren möchte:
Zum einen muss man sich der Gruppe verbunden fühlen und gleichzeitig muss man die Gruppe als handlungsfähig erleben.
Eigentlich ganz logisch: die Diagnose einer schweren chronischen Erkrankung erleben Betroffene häufig wie ein Schlag. Neben der Angst, die das mit sich bringt, erleben sie auch einen Kontrollverlust: ohne selbst Einfluss nehmen zu können, steht die Krankheit im Raum und stoppt erst einmal alle weiteren Lebenspläne. Das Gefühl, die Dinge im Griff zu haben, verschwindet und damit die persönliche Kontrolle.
In Selbsthilfegruppen trifft man auf andere Betroffene, die einem die erste Panik nehmen können. Hier erfährt man von Menschen, die vor den gleichen Problemen standen, welche Möglichkeiten man hat und wo persönliche Kontrolle wieder möglich ist. Man gewinnt das Gefühl zurück, selbstwirksam zu sein. Die Handlungsfähigkeit der Gruppe erleben die Teilnehmenden in jeglichen Aktivitäten der Gruppe: vom Gespräch, über Weihnachtsfeiern oder den Vortrag von Fachpersonen tragen alle Gruppenaktivitäten dazu bei.
Wenn das gegeben ist, können laut Dr. Reschke und ihrem Team sogar Krisenzeiten, wie die Corona-Pandemie, in der eine Zeit lang Gruppentreffen nicht möglich waren, gesünder überstanden werden. Denn das Tolle ist, wenn die genannten Rahmenbedingungen stimmen (Zugehörigkeitsgefühl und das Gefühl, dass die Gruppe handlungsfähig ist), wirkt das soziale Heilmittel auch, wenn man sich nicht trifft.
Die wesentliche Schlussfolgerung der Forschenden:
„Gruppen, vor allem Selbsthilfegruppen, sind eine unschätzbar wertvolle psychologische Ressource – vor allem dann, wenn man sich als Einzelperson machtlos fühlt.“