Mit Inkrafttreten der dritten Reformstufe des BTHG zum 1. Januar 2020 wurden die bisherigen Regelungen des SGB XII zur Betreuung in einer Pflegefamilie für Minderjährige mit Behinderungen in das SGB IX übernommen und auf Volljährige ausgedehnt. Mit der Orientierungshilfe gibt die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe und der Eingliederungshilfe (BAGüS) u. a. Hinweise zu einer praxisgerechten und reibungslosen Leistungsgewährung volljähriger Menschen mit Behinderungen, die in Pflegefamilien leben.
Auch wenn der Leistungsanspruch auf Betreuung für volljährige Menschen in einer Pflegefamilie erst durch das BTHG im SGB IX ausdrücklich verankert wurde, so ist diese Form der Unterstützung für Menschen mit Behinderungen und einem wohnbezogenen Hilfebedarf nicht neu und wurde von vielen Träger im Rahmen des offenen Leistungskatalogs der sozialhilferechtlichen Eingliederungshilfe schon in der
Vergangenheit umgesetzt. Die BAGüS lässt diese Erfahrungen und Konzepten für die entsprechende Orientierungshilfe einfließen, um zu einer praxisgerechten und reibungslosen Leistungsgewährung volljähriger Menschen mit Behinderungen, die in Pflegefamilien leben, zu kommen und zu einer einheitlichen Verwaltungspraxis zu verhelfen. Zudem wird der Übergang der Pflegekinderverhältnisse aus der Jugendhilfe in das Betreuungsverhältnis bei Menschen mit Behinderung mit dem Erreichen der Volljährigkeit thematisiert.
Inhalte der Orientierungshilfe
In dem Papier wird zunächst aufgelistet, welche Voraussetzungen für Leistungen zur Betreuung in einer Pflegefamilie für Volljährige, nicht nur vorübergehend wesentlich behinderte Menschen gemäß § 99 i.V.m. § 2 Abs. 1 SGB IX geben sein müssen. So bedarf er zunächst die Einbindung eines begleitenden Dienstes. Zudem muss die Hilfeform explizit von der leistungsberechtigten Person gewünscht und geeignet zur Deckung der Bedarfe sein. Eine weitere Voraussetzung stellt die Teilhabeeinschränkung der leistungsberechtigten Person dar. Diese muss so umfassend sein, dass das Wohnen mit Assistenz in der eigenen Wohnung nicht (mehr) infrage kommt und das Leben in einer besonderen Wohnform durch die Leistung vermieden werden kann.
Örtliche Zuständigkeit
Bezüglich der örtlichen Zuständigkeit setzt sich für alle Bestandsfälle der sozialhilferechtlichen Eingliederungshilfe vor dem 31.12.2019 die bisherige örtliche Zuständigkeit fort (§ 98 Abs. 5 SGB IX). Für Neufälle gilt ab 01.01.2020: Für die Eingliederungshilfe örtlich zuständig ist der Träger der Eingliederungshilfe, in dessen Bereich die leistungsberechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt zum Zeitpunkt der ersten Antragstellung nach § 108 Abs.1 hat oder in den zwei Monaten vor den Leistungen einer Betreuung über Tag und Nacht zuletzt gehabt hatte (§ 98 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Probleme der örtlichen Zuständigkeit des Trägers der Eingliederungshilfe können sich allerdings ergeben, wenn es sich um „Fall-Übernahmen“ von Trägern der öffentlichen Jugendhilfe durch den Träger der Eingliederungshilfe handelt. Zudem ist eine Ermittlung der Zuständigkeit erschwert, sofern der (Wohn-) Ort der Pflegefamilie außerhalb des Zuständigkeitsbereiches des Trägers der Eingliederungshilfe liegt.
Geeignetheit der Pflegefamilie
Im weiteren Verlauf der Orientierungshilfe werden neben des Nachweises eines erweiterten Führungszeugnisses, aller im Haushalt lebenden Personenüber 14 Jahren, nach §§ 30 Abs. 5 und 30a Abs. 1 Bundeszentralregistergesetz weitere Kriterien für die Prüfung der persönlichen und fachlichen Geeignetheit aufgelistet. So muss die Pflegefamilie (gegebenenfalls mit fachlicher Unterstützung) in der Lage sein, die im Gesamt- oder Teilhabeplan festgelegten Ziele für die leistungsberechtigte Person zu verfolgen und zu erreichen. Zudem werden u. a. ein ausreichender Wohnraum sowie geregelte wirtschaftliche Verhältnisse für die Aufnahme vorausgesetzt. Die Überprüfung der persönlichen und fachlichen Geeignetheit der Pflegefamilie soll regelmäßig, beispielsweise im Rahmen der Fortschreibung des Gesamtplans, erfolgen. Allerdings kann die Geeignetheit als Pflegefamilie immer nur personenzentriert in Bezug auf die leistungsberechtigte Person festgestellt und attestiert werden und somit keine generelle Geeignetheit als Pflegefamilie festgestellt werden.
Leistungen für Volljährige in Pflegefamilien
Die Leistungen für volljährige in Pflegefamilien basieren zum einen über Leistungen zur Sozialen Teilhabe. Hierunter fallen Aufwendungen für die Betreuungsleistungen der Pflegefamilien sowie die begleitende fachliche Betreuung. Die Leistungen zur Teilhabe (Leistungen der Eingliederungshilfe) können auch als persönliches Budget gem. § 29 SGB IX erbracht werden. Sofern darüber hinaus noch existenzsichernde Leistungen (Grundsicherung/ Hilfe zum Lebensunterhalt) im Rahmen der Sozialhilfe für die leistungsberechtige Person erforderlich sind, werden diese ergänzend gewährt. In der Orientierungshilfe wird zudem im Anschluss exemplarisch aufgezeigt, welche Finanzierungsmöglichkeit im Rahmen der Hilfegewährung möglich sind.
Hintergrund
Im Rahmen der dritten Reformstufe des BTHG sind die bisherigen Regelungen des SGB XII zur Betreuung in einer Pflegefamilie für Minderjährige in das SGB IX übernommen und u.a. ausdrücklich auf Volljährige ausgedehnt worden. Diese Änderungen und die Schnittstelle zur Jugendhilfe nach dem SGB VIII machen es erforderlich, sich mit den neuen rechtlichen Grundlagen im Bereich der Pflegekinder mit Behinderungen auseinander zu setzen, gerade im Hinblick auf die praktische Umsetzung. Beim Wechsel mit Erreichen der Volljährigkeit von der Jugendhilfe in das System der Eingliederungshilfe ist zudem zu berücksichtigen, dass sich auch die Bedarfe mit diesem Wechsel ändern, da zum Beispiel Erziehungsleistungen wegfallen.
Die Orientierungshilfe können Sie hier herunterladen.
(Quelle: www.umsetzungsbegleitung-bthg.de)