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Kostenübernahme für Begleitpersonen von behinderten Menschen bei Aufenthalt im Krankenhaus – der Bundesrat hat den Regelungen zugestimmt

Bundesregierung legt Regeln für die Kostenübernahme fest

Das Bundeskabinett hat im Juni 2021 eine Formulierungshilfe für gesetzliche Änderungen verabschiedet, mit denen die Finanzierung der Begleitung von Menschen mit Behinderungen im Krankenhaus durch „vertraute Bezugspersonen“ geregelt wird.

Seit vielen Jahren wird bereits eine gesetzliche Regelung für Begleitung von Menschen mit Behinderungen im Krankenhaus von Verbänden, sowie von Betroffenenvertreterinnen und -vertretern gefordert. Viele kennen die Problematik unter dem Stichwort „Assistenz im Krankenhaus”. Zum Ende der Legislaturperiode hat nun der Bundestag den Weg für die Kostenübernahme einer Begleitperson frei gemacht, wenn Menschen mit Behinderungen eine Krankenhausbehandlung brauchen und diese ohne die Begleitung einer vertrauten Person erschwert oder sogar unmöglich wäre. Die Regelungen gelten für alle Menschen, die Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten und die zur Sicherstellung der Durchführung einer Krankenhausbehandlung bzw. aus medizinischen Gründen auf die Begleitung von vertrauten Bezugspersonen angewiesen sind. Die bislang ungeklärte Kostenträgerschaft in diesen Fällen wird nun klar und transparent geregelt: Erfolgt die Begleitung durch Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter eines Leistungserbringers der Eingliederungshilfe, übernehmen die für die Leistungen der Eingliederungshilfe zuständigen Träger die Personalkosten. Bei einer Begleitung durch Personen aus dem persönlichen Umfeld der Betroffenen, leistet die gesetzliche Krankenversicherung im Fall der Mitaufnahme oder ganztätigen Begleitung einen Ausgleich für den Verdienstausfall der Begleitpersonen.

Dazu äußerten sich der Behindertenbeauftragter der Bundesregierung, Jürgen Dusel, der sich seit Beginn seiner Amtszeit für eine gesetzliche Regelung einsetzt und Bundesminister für Arbeit und Soziales, Hubertus Heil:

  1. Dusel: „Hier waren dicke Bretter zu bohren. Ich bin froh, dass uns nun ein Kompromiss vorliegt, der die gesundheitliche Versorgung vieler Menschen mit Behinderungen erheblich verbessern wird. Ohne das Engagement von Hubertus Heil wäre das nicht möglich gewesen.“
  2. Heil: „Wer im Krankenhaus behandelt wird, der braucht Beistand. Das gilt besonders für Menschen mit Behinderungen. Häufig wird eine Behandlung erst durch die Anwesenheit einer vertrauten Person möglich. Deshalb ist es so wichtig, dass die Kostenübernahme für die begleitende Person endlich geregelt ist. Mit den heute beschlossenen Gesetzesänderungen können wir den Betroffenen und ihrem Umfeld eine Sorge nehmen, die mit einem Krankenhausaufenthalt verbunden ist.“

Die gesetzlichen Regelungen im Einzelnen

  1. Regelung im SGB V

In einem neu eingefügten § 44b SGB V wird ein Krankengeldanspruch für Begleitpersonen geregelt, wenn sie zur Begleitung eines Versicherten bei einer stationären Krankenhausbehandlung mitaufgenommen werden müssen. Der Anspruch besteht nur, wenn es sich um einen Menschen mit Behinderungen handelt und die Begleitung aus medizinischen Gründen notwendig ist. Des Weitern Eingliederungshilfeleistungen bezogen werden, die Begleitung im Krankenhaus aber nicht als Eingliederungshilfeleistung in Anspruch genommen wird, ein naher Angehöriger oder eine Person aus dem engsten persönlichen Umfeld ist und der Begleitperson ein Verdienstausfall entsteht.

  • Nach § 44b muss die zu begleitende Person ein Mensch mit Behinderungen sein, also die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 SGB IX erfüllen. Dies ist dann der Fall, wenn eine körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen vorliegt, die ihn in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern kann. Eine Beeinträchtigung liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Dann muss die Begleitperson bei einer stationären Behandlung im Krankenhaus mit aufgenommen werden. Der Mitaufnahme steht allerdings die ganztätige Begleitung gleich, sodass es nicht notwendig ist, dass die Begleitperson auch im Krankenhaus übernachtet. Von einer ganztätigen Begleitung ist auszugehen, wenn die notwendige Zeit, die die Begleitperson aufwendet, mit An- und Abreise acht oder mehr Stunden beträgt. Eine kürzere Begleitung, für wenige Stunden, führt nicht zu einem Anspruch auf Krankengeld.
  • Freistellungsanspruch: Nach dem neuen § 44 haben Arbeitnehmer*innen, die ihnen nahestehende behinderte Menschen im Krankenhaus begleiten, künftig auch einen Anspruch auf Freistellung vom Arbeitgeber. Dieser Freistellungsanspruch gilt auch für nicht gesetzlich krankenversicherte Arbeitnehmer*innen.
  • Aus dem Einzelfall, der betroffenen Person, ergeben sich die „notwendigen medizinischen Gründe“. Begründet sind diese in erster Linie an medizinischen Indikationen der behandlungsbedürftigen Person oder ihrer Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit. Eine Begleitperson kann also einer betroffenen Person ohne sprachliche Verständigungsmöglichkeit Unterstützung bei der Verständigung leisten, ohne, dass eine physische Indikation dies rechtfertigen würde. Medizinisch notwendig kann die Begleitung aber auch sein, wenn der Mensch mit Behinderungen sie im Umgang mit Belastungssituationen braucht. Die Begleitperson kann auch in Fällen erforderlich sein, in denen diese in das therapeutische Konzept eingebunden werden soll. Voraussetzung ist, dass die Begleitperson in „nachstationäre Übungen“ eingewiesen werden muss, um den Erfolg der Therapie zu gewährleisten.
  • Zu den vertrauten Bezugspersonen zählen Angehörige oder ein Angehöriger im Sinne des Pflegezeitgesetzes, also unter anderem Eltern oder Schwiegereltern, Ehegatten oder Lebenspartner, Großeltern, Geschwister und Kinder. Andere Personen aus dem engsten persönlichen Umfeld kommen aber auch in Frage, wenn zwischen dieser Person und der stationär zu behandelnden Person die gleiche persönliche Bindung besteht wie bei einem nahen Angehörigen.
  • Ein Anspruch auf Krankengeld schließt den Bezug von Kinderkrankengeld nicht aus. Eltern von Kindern mit Behinderungen können also alternativ auch das höhere Kinderkrankengeld in Anspruch nehmen.
  • Die arbeitsrechtliche Freistellung der Begleitperson gilt uneingeschränkt, sodass für die Begleitperson auch ein Anspruch auf unbezahlte Freistellung gegenüber ihrem Arbeitgeber besteht. Der Arbeitgeber kann diesen Anspruch kann nicht durch Vertrag ausschließen oder beschränken.
  1. Regelungen im SGB IX

Durch die neuen Regelungen im SGB IX erfolgt die Kostenübernahme der Begleitung durch vertraute Bezugspersonen bei einer stationären

Krankenhausbehandlung durch den Träger der Eingliederungshilfe, soweit dies aufgrund des Vertrauensverhältnisses des Leistungsberechtigten zur Bezugsperson und aufgrund der behinderungsbedingten besonderen Bedürfnisse erforderlich ist. Im SGB V werden medizinische Gründe geregelt und definiert, anders im SGB IX, dort kommt es auf die besonderen Bedürfnisse des Menschen mit Behinderungen an. Dabei ist zu beachten, dass die Kosten für die Begleitung nur übernommen werden, wenn die Begleitperson dem Leistungsberechtigten gegenüber bereits im Alltag Leistungen der Eingliederungshilfe erbringt, dazu gehört auch eine Leistungserbringung in Form des Persönlichen Budgets. Dabei spielt es keine Rolle, wo die Leistungen erbracht werden, so sind auch ambulante Dienste erfasst. Ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen dieser Person und dem leistungsberechtigten Menschen mit Behinderungen muss auch hier zusätzlich vorliegen.

  • Zuständig für die pflegerische Versorgung während des Krankenhausaufenthaltes bleibt weiterhin das pflegerische Personal des Krankenhauses. Betroffen davon ist unter anderem die Grundpflege im Sinne von Waschen, Ankleiden, Anreichen von Nahrung. Das heißt, dass sich die Übernahme der Kosten für die Begleitung nicht auf die pflegerischen Leistungen im Krankenhaus auswirken. Gleiches gilt für Menschen mit Sprach- oder Hörbehinderung oder andere Kommunikationshilfen und die Verpflichtung des Krankenhauspersonals zu verständlicher Kommunikation mit dem behinderten Menschen.
  • Die Bundesministerien für Gesundheit und Arbeit und Soziales evaluieren im Einvernehmen mit den Ländern die Wirkung der neuen Regelungen. Untersucht werden sollen vor allem die Praktikabilität und die finanziellen Auswirkungen auf die jeweiligen Leistungssysteme. Dabei soll die Untersuchung auch ausloten, ob die finanzielle Verteilung auf die jeweiligen Leistungssysteme fair gestaltet ist. Die Ergebnisse sind bis Ende 2025 zu erwarten.

Die Gesetzesänderungen zeigen, dass es dem Gesetzgeber wichtig war, die medizinische Behandlung Menschen mit Behinderungen, auch unter sozialen Gesichtspunkten, sicherzustellen und so lange überfällige Leistungsansprüche abzusichern. Gleichzeitig wird damit aber auch ein Zeichen gesetzt, dass die Belastungen, die durch die Begleitung eines Menschen mit Behinderungen im Krankenhaus entstehen können, nicht mehr der Familie des Menschen mit Behinderungen allein aufgebürdet werden. Mussten bisher nahe Angehörige Urlaub für die notwendige Begleitung nehmen, wird durch die Übernahme des Verdienstausfalls für die Begleitperson anerkannt, dass diese Aufgabe von der Solidargemeinschaft mit zu tragen ist. Offen bleibt jedoch die Kostenübernahme in den Fällen, in denen Menschen mit Behinderungen keine Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten, das sind zum Beispiel Selbstzahler oder pflegebedürftige Menschen mit demenziellen Erkrankungen. Diese Personen brauchen aber unter Umständen auch eine Unterstützung bzw. Begleitung durch eine vertraute Bezugsperson, wenn sie ins Krankenhaus gehen müssen. Die Regelung im SGB V tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft. Allerdings ist in der Norm selbst geregelt, dass der neue Anspruch erst ein Jahr nach Verkündung besteht (!). Die Regelungen aus dem SGB IX treten ein Jahr nach Verkündung in Kraft, da die Träger der Eingliederungshilfe eine gewisse Zeit für die Umstellung brauchen.

Am 17.09.2021 wurden die bereits vom Bundestag verabschiedeten Regelungen zur Assistenz im Krankenhaus im sogenannten Omnibus-Verfahren mit dem „Erlass eines Tierarzneimittelgesetzes“ nunmehr auch im Bundesrat beschlossen.

Download der Beschlussvorlage des Deutschen Bundestages

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