Schülerinnen und Schüler, die behinderungsbedingt nicht alleine den Schulweg zurücklegen können, haben einen Anspruch auf volle oder ergänzende Kostenübernahme (z.B. für ein Taxi) durch die Träger der Eingliederungshilfe. Das sind in NRW für schulpflichtige Kinder entweder das Sozial- oder Jugendamt. Das Bundessozialgericht hat eine Grundsatzentscheidung des Landessozialgerichts NRW am 08. Mai 2024 bestätigt und die Revision dagegen zurückgewiesen.
Bisher wurden Eltern von behinderten Kindern, die eine inklusive Schule besuchen, zumeist darauf verwiesen, dass sie ihre Kinder lt. Schulgesetz selber zur Schule bringen und abholen müssen. Die Einrichtung eines Schülerspezialverkehrs blieb nur wenigen Fällen (bei geistiger oder körperlicher Behinderung des Kindes) vorbehalten, wenn die Eltern durch Arbeitgeberbescheinigungen nachweisen konnten, dass sie beruflich nicht in der Lage dazu sind. Eltern, die im Rahmen von Gleitzeit ihren Arbeitsbeginn flexibel beginnen können hatten keine Chance darauf. Gleiches gilt für Selbständige, weil sie sich “selbständig” die Arbeit einteilen könnten, so die restriktive Logik der Schülerfahrkostenstellen. Viele Eltern mussten deswegen ihre Arbeitszeit verkürzen oder ganz aufgeben, damit der Schultransport durch sie sichergestellt werden konnte. Demgegenüber haben Schüler:innen von Förderschulen in der Regel gleich den Fahrdienst mit der Schulanmeldung inkludiert bekommen.
Begründung des Bundessozialgerichts für die Ablehnung der Revision des Urteils vom Landessozialgerichts NRW vom 15.12.22:
Zitat: „Die 2006 geborene Klägerin besuchte ein Gymnasium. Wegen einer Beeinträchtigung der Gelenkbewegung war es ihr nicht möglich, die 1,1 Kilometer vom Elternhaus entfernte Schule mit dem Fahrrad oder zu Fuß zu erreichen. Ihre Eltern organisierten im Schuljahr 2017/2018 die Hin- und Rückfahrten der Klägerin (wie während der Grundschulzeit) mit einem Taxi und wendeten hierfür 2240 Euro auf. Die Gemeinde als Schulträgerin erstattete für den Besuch der weiterführenden Schule lediglich eine Kilometerpauschale von 13 Cent, insgesamt rund 60 Euro. Die Übernahme der verbleibenden Differenz, die die Klägerin als Eingliederungshilfe geltend machte, lehnte der Beklagte vor Schuljahresbeginn ab, weil es allen Eltern selbst obliege, ihren schulpflichtigen Kindern die Teilnahme am Unterricht zu ermöglichen. Unterstützung hierfür sei jedenfalls beim Vorhandensein von zwei Kraftfahrzeugen in der Familie (wie hier) nicht auf Kosten der Sozialhilfe zu leisten. Die Klage hat beim Sozialgericht und beim Landessozialgericht Erfolg gehabt. Bei den Aufwendungen handele es sich um eine Eingliederungshilfe zur Teilhabe an Bildung. Kinder im Alter der Klägerin legten typischerweise den Schulweg allein zurück, weswegen auch die Klägerin nicht darauf verwiesen werden könne, sich von den Eltern zur Schule fahren zu lassen.“
Damit wird das Urteil und die Begründung des Landessozialgerichts NRW aus 2022 bestätigt
Dort steht unter anderem, dass Eltern ihrer im Schulgesetz festgeschriebenen Verpflichtung nachkommen, die Kinder zur Schule zu bringen und abzuholen, wenn Sie dafür ein Taxi beauftragen. Die notwendigen Taxikosten müsse die EGH übernehmen – es sei denn, die Wegstreckenentschädigung des Schulträgers wäre bedarfsdeckend (unmöglich bei 13 Cent/km). Nach der Entstehungsgeschichte und Sinn und Zweck der Schülerfahrtkostenverordnung handele es sich dabei um eine Regelung für alle SuS, nicht aber speziell für SuS mit Behinderung…
Zitat: „Aus diesem Zweck der Eingliederungshilfe folgt das Recht der Klägerin, jedenfalls ab dem Besuch einer weiterführenden Schule unabhängig von den Eltern zur Schule zu gelangen. Denn spätestens ab diesem Alter bewältigen Kinder den Schulweg typischerweise allein, so dass es eine Benachteiligung für die Klägerin darstellen würde, wenn sie weiter von einem Transport durch die Eltern abhängig wäre.
Darüber hinaus spricht gegen einen Verweis auf die Beförderung durch die Eltern auch der Gedanke der Inklusion.Die Klägerin besucht eine allgemeine Schule, bei der ein Schülerspezialverkehr nicht eingerichtet ist. Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SchulG NRW findet sonderpädagogische Förderung in der Regel in der allgemeinen Schule statt. Die Eltern können gem. § 20 Abs. 2 Satz 2 SchulG NRW abweichend hiervon die Förderschule wählen. Dieser Vorrang einer inklusiven Beschulung von Kindern mit Behinderung würde beeinträchtigt, wenn die Eltern verpflichtet wären, ein gehbehindertes Kind mit dem PKW zu der allgemeinen Schule zu bringen, weil Taxikosten nicht erstattet werden und ein Schülerspezialverkehr nach § 14 SchfkVO nicht eingerichtet ist. Denn die Förderschulen in Nordrhein-Westfalen verfügen üblicherweise über einen Schülerspezialverkehr, so dass die Klägerin bei dem Besuch einer solchen Schule von zu Hause abgeholt und wieder zurückgebracht würde.“
Tipps:
Die Regelungen des Sozialgesetzbuchs IX und VIII gelten bundesweit einheitlich. Die Schülerfahrkostenverordnung aus NRW, die im o.g. Fall zugrundegelegt worden ist, gilt nur in Nordrhein-Westfalen. Jedes Bundesland hat eine eigenständige Regelung dafür.