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Dusel begrüßt EU-Behindertenausweis und plädiert für Schadensersatzregelung

Der europäische Behindertenausweis könnte noch vor der EU-Wahl im Juni eingeführt werden. Das europäische Parlament machte den Weg frei für Verhandlungen mit dem EU-Rat und der EU-Kommission. Der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, Jürgen Dusel, begrüßt die EU-Pläne für einen einheitlichen Behindertenausweis: „Die Ausweise bringen uns der europäischen Idee ein Stückchen näher, und natürlich begrüße ich, dass Menschen mit einem entsprechenden Behinderungsgrad auch im Ausland von Nachteilsausgleichen profitieren können“, erklärte er.

Nationale Behindertenausweise gelten bislang nur im jeweiligen Land

Der Richtlinienvorschlag, den die Kommission im September 2023 vorgelegt hatte, regelt die Voraussetzungen für einen EU-Behindertenausweis und eine verbesserte, verpflichtende EU-einheitliche Parkkarte. Damit soll die Reisefreiheit für Menschen mit Behinderungen erleichtert und zum Beispiel ein barrierearmer Zugang zu Gesundheitseinrichtungen gewährleistet werden.

Die nationalen Behindertenausweise gelten bislang nur im jeweiligen Land. Der EU-Behindertenausweis soll sicherstellen, dass für Menschen mit Behinderungen die gleichen Erleichterungen gelten wie für Menschen im Gastland, seien es finanzielle Vergünstigungen wie die kostenfreie Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs oder die Möglichkeit, einen Assistenzhund mitzuführen. Da die nationalen Behindertenausweise nicht im EU-Ausland gelten, müssen Menschen mit Behinderung zurzeit zum Beispiel fürchten, dass sie nicht überall reservierte, barrierearme Parkmöglichkeiten, etwa vor Kliniken, nutzen können. Hier soll die EU-einheitliche Parkkarte für Sicherheit sorgen.

Behindertenstatus in allen EU-Ländern anerkannt

Bislang hat jedes EU-Land eigene Regelungen. Hier fordert Dusel eine stärkere Vereinheitlichung: „Die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Erhalt eines Ausweises sind jedoch in den EU-Ländern sehr unterschiedlich – hier sind wir erst am Anfang“, sagte er. „Der neue EU-Behindertenausweis ist ein Meilenstein für die Freizügigkeit von Menschen mit Behinderungen in der EU“, bestätigte auch Katrin Langensiepen, Grünen-Europaabgeordnete und interparlamentarische Koordinatorin für Menschen mit Behinderungen. Gerade in punkto Reisen werde der neue Ausweis das Leben von 80 Millionen Menschen mit Behinderung in der EU deutlich erleichtern. Er solle „endlich die Sicherheit geben, dass ihr nationaler Behindertenstatus von Behörden und Dienstleistern in einem anderen EU-Land anerkannt“ werde und ihnen somit Zugang zu jeweils national geltenden Vorteilen geben.

„Die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Erhalt eines Ausweises sind jedoch in den EU-Ländern sehr unterschiedlich – hier sind wir erst am Anfang.“

Auch Studenten und Arbeitnehmer im EU-Ausland sollen profitieren

Der EU-Behindertenausweis soll drei Monate lang gelten und innerhalb von 60 Tagen zusätzlich zum nationalen Ausweis ausgestellt werden. Die entsprechende EU-Parkkarte soll innerhalb von 30 Tagen ausgestellt werden. Beide sollen kostenlos im eigenen Land beantragt werden können. Den EU-Ausweis soll es sowohl in physischer als auch in digitaler Form geben. Die EU-Abgeordneten forderten, dass auch die Parkkarte physisch und digital erhältlich sein soll. Sie haben den Vorschlag der Kommission zudem um einen wichtigen Punkt ergänzt: Der EU-Ausweis, der für Gastaufenthalte gedacht ist und daher nur für drei Monate gelten soll, soll einen längerfristigen Zugang zu Vergünstigungen und zum Beispiel auch zur Sozialhilfe für diejenigen ermöglichen, die in einem anderen Mitgliedsstaat arbeiten oder studieren wollen. So soll zum Beispiel die Zeit überbrückt werden können, bis der Antrag auf den jeweiligen nationalen Behindertenausweis genehmigt wird.

Die von der Kommission vorgeschlagene Richtlinie ist Teil der „Strategie für die Rechte von Menschen mit Behinderungen 2021-2030″ der EU. Der Richtlinienvorschlag basiert auf den Erkenntnissen aus einem Pilotprojekt für einen EU-Behindertenausweis, das in acht Mitgliedstaaten durchgeführt wurde, sowie auf dem bereits bestehenden Europäischen Parkausweis für Menschen mit Behinderungen, der auf einem freiwilligen System beruht. Wenn der Vorschlag von allen EU-Gremien angenommen wird, haben die Mitgliedstaaten 18 Monate Zeit, die Bestimmungen der Richtlinie in nationales Recht umzusetzen.

Schadensersatz bei nicht barrierefreien Zugängen

Die mehr als 80 Millionen Menschen mit Behinderung in der EU stoßen immer noch auf Hindernisse beim Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung, Arbeit, Freizeit und bei der Teilnahme am politischen Leben. Mehr als jeder Zweite fühlt sich diskriminiert, ergab eine Eurobarometerbefragung 2019. Das Risiko einer Behinderung steigt mit dem Lebensalter stark an. Das Gesundheitssystem in Deutschland sei nicht inklusiv genug, kritisierte Jürgen Dusel Anfang des Jahres in einem Interview mit der Deutschen Presse Agentur. So sei in Deutschland nur jede vierte Praxis barrierearm zugänglich.

Gegenüber G+G ergänzte er die Kritik noch und schlug eine Schadensersatzregelung für nicht barrierefreie Zugänge vor: „Wir wissen auch durch den Staatenbericht der Vereinten Nationen, dass Deutschland nicht gut dasteht“, so Dusel. Ein Österreicher zum Beispiel werde in Deutschland „wahrscheinlich auf mehr Barrieren“ stoßen als im Nachbarland. Denn dort gebe es seit 2016 ein Gesetz, „das Barrierefreiheit für alle privaten Anbieter und somit zum Beispiel auch für Arztpraxen vorschreibt und auch eine Schadenersatzregelung“ enthalte, erklärte Dusel. „Gäbe es eine solche Regelung auch in Deutschland – beispielsweise durch europäische oder nationale Vorgaben, würden die Menschen mit Behinderungen mit Sicherheit davon profitieren.“

Weiterführende Links

Weitere Fragen zur Europäischen Union: Tel.: 0800 67 89 10 11

(Quelle: www.aok.de/Gesundheitssystem, 05.02.2024)

 

 

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